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199383

(1999) Autobiographische Schriften, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.

Gottardo Segantini

René König

pp. 404-406

Gegenüber der Explosion dieser jungen Künstler wirkt die Haltung von Gottardo Segantini, der Sohn von Giovanni Segantini, beide aus dem Engadin, wie ein Ausdruck planetarischer Weisheit. Ich hatte das Glück, Meister Gottardo durch meinen aus Italien emigrierten Freund Giuseppe Delogu in Zürich kennen zu lernen und war mit ihm und seiner Frau Charlotte, die wie ich aus Deutschland stammte, viele Jahre lang sehr freundschaftlich verbunden. ... Im Jahre 1944 hielt Gottardo die Rede zum 1. August, dem Schweizer Nationalfeiertag, in Maloja. Ich habe davon nur eine Wendung behalten, die mir heute immer lebendiger wird, man dürfe sich über der Freude für das jetzt endlich zu erwartende Kriegsende nicht zu der Meinung verleiten lassen, daß damit ein Punkt erreicht sei, an dem man alle Gefahren für gebannt ansehen könnte. Die größte Versuchung käme erst nach dem Waffenstillstand. Alle Anwesenden waren tief berührt von dieser negativen Perspektive, die im Grunde die Fortsetzung jener Rede zum 1. August 1941 war, die ich damals auf meiner ersten Wanderung von Zürich über Graubünden über den St. Bernardino Paß ins Tessin hörte. Wie damals der Bürgermeister zur 650-Jahr-Feier der Schweizerischen Eidgenossenschaft daran erinnerte an das "Gewissen", das die Schweiz nicht einschlafen lassen dürfe; selbst wenn sie bisher vom Kriege verschont geblieben war, so galt das noch heute für uns alle, auch nach einem prekären Kriegsende bis heute; in dieser Periode sind auch mehr als 150 neue Kriege über die Welt gegangen. Aber diese beiden Reden zum 1. August 1941 und zum 1. August 1944 werden mir unvergeßlich bleiben wegen der klassischen Weisheit, der man damals in der Schweiz häufig begegnen konnte.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-322-80859-2_35

Full citation:

König, R. (1999). Gottardo Segantini, in Autobiographische Schriften, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, pp. 404-406.

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